Erfahrungsbericht
Bewusstseins-Expedition in die Welt flüchtiger Aromaessenzen
April 2022, Axel E.
Die Welt der Gerüche, Düfte und Essenzen hat mich schon immer fasziniert. Deshalb hat mich als vielseitig interessierter Journalist auch die Arbeit von Andreas Hesse mit großem Interesse erfüllt. Wann findet man schon mal jemand, der sein ganzes Leben der Erforschung dieser geheimnisvollen Stoffe gewidmet hat. Kräuter, Blüten, Wurzeln, Hölzer, Gräser oder auch Früchte, deren Aromaessenzen ganz spezifische Wirkungen auf unseren Körper, unser Unterbewusstsein und unser Gefühlsleben auslösen können.
Andreas Hesse hat damit als Koch Speisen einen ganz neuen Dreh gegeben oder auf der Grundlage von altem Apothekerwissen hochwirksame und naturreine Naturkosmetik entwickelt. Bisher einzigartig aber ist sein System, mit Hilfe von Aromaessenzen Tiefenschichten der Psyche zu erschließen und damit über die Maßstäbe der reinen Aromatherapie hinauszugehen. Aromatherapeutische Psychoanalytik nennt er das von ihm in jahrelanger Praxiserfahrung entwickelte System. Es wirkt wie ein Scan der Persönlichkeit, das dunkle Schattenanteile ebenso sichtbar macht wie Heil- und Entwicklungspotentiale.
Düfte sind der direkte Draht zur menschlichen Seele. Sie wirken im menschlichen Gehirn ohne Umweg über das für die Vernunft zuständige Großhirn direkt auf das limbische System. In ihm sind alle seit der Geburt gemachten Erfahrungen mit den begleitenden Gefühlen und Düften abgespeichert und mit speziellen Markern gekennzeichnet. Diese verbinden Erlebnisse mit dem dazugehörigen Duft samt den begleitenden Gefühlen wie Schmerz, Angst, Genuss, Euphorie oder Lust. Eng mit dem Einfluss von Aromaessenzen verbunden sind auch direkte Einflüsse auf unser Hormonsystem. Soweit die Theorie.
Wer über ein derart komplexes Thema schreiben will, der kommt um die Praxis nicht herum, sage ich mir. Mit einer Mischung aus Offenheit, Neugier und einer
guten Portion Skepsis lasse ich mich auf das Experiment mit Andreas Hesse ein. Mit einem etwas eigenwilligen Gefühl beginnt unsere erste Sitzung. Wer lässt sich schon gerne die seelischen Tiefenschichten ausleuchten? Was die Sache sicher erleichtert, ist die offene, humorvolle und klar-direkte Art, mit der Andreas Hesse die Sache angeht.
Erstmal geht es ja auch „nur“ ganz harmlos darum, 70 verschiedene Pflanzenfotografien nach den Kriterien „Gefällt mir“ oder „Gefällt mir nicht“ zu ordnen. Es ist erstaunlich, wie die Pflanzen in verfremdeten Farben und ungewohnten Perspektiven in Szene gesetzt sind. Hesse erläutert dazu: „Die ungewöhnlichen Motive sind so fotografiert, dass unser Unterbewusstsein die psychische Energie der Heilpflanzen visuell direkt erkennen kann.“ Auf diese Weise sucht sich der Klient genau die für ihn in der aktuellen Situation passenden Pflanzenkarten aus. In der Tat: So habe ich Rosmarin, Dill, Bergamotte, Iris oder Eichenmoos noch nie gesehen.
Danach wird es nochmal spannend: Aus einem mit kleinen Fläschchen gefüllten Koffer wählt Andreas Hesse die je nach gezogener Pflanzenkarte zugehörigen Duftessenzen aus. Jetzt ist die Nase bei der Bewertung gefragt: Ist der Duft angenehm oder eher abstoßend? Das ist erstmal gar nicht so leicht zu beurteilen. Denn der „Geist“ aus der Flasche weht mal süßlich-sanft, dann wieder medizinisch-streng und extrem krautig vorüber oder präsentiert sich zitronig-frisch. Was ist tatsächlich angenehm, was unangenehm?
Im Anschluss versuche ich zu raten, an was ich gerade schnuppere: Orange, Zimt und Lavendel sind einfach. Aber Angelika, Tonkabohne und Lorbeer? Hmmm? Am Ende brummt mir ein wenig der Kopf und es fühlt sich an, als hätte ich den Finger mal kurz in die Steckdose gehalten. Es ist, also ob die Vielzahl von Aromen und Düften, die durch die Nase geströmt sind, ein Energiezentrum aktiviert haben, das pulsiert. Ein tiefer Zug aus der Dose mit Kaffeebohnen schafft etwas Ruhe und Klarheit. In der Nacht deuten wilde Träume auf eine offenbar anregende Wirkung auf das Unterbewusstsein.
Beim nächsten Treffen geht es dann zur Sache. Andreas Hesse hat die Pflanzenfotografien mit den jeweiligen Benotungen nach einem festen Legesystem geordnet. Sie sind den drei Schwerpunktbereichen Kopf, Herz und Basis samt den dazwischenliegenden Brückenbereichen zugeordnet. Muster, die Verdichtung bestimmter Pflanzenkarten oder auch die Position charakteristischer Symbolkarten geben Hinweise auf Ängste, Blockaden, Traumata, frühkindliche Glaubenssätze und geistig-seelische Prägungen. Ich staune, was sich aus den Karten herauslesen lässt. Das Ziel ist eine konkrete Standortanalyse der aktuellen Situation.
So deutet der Eukalyptus auf eine Blockade der Lebensfreunde durch die väterliche Energie, während die Konstellationen in einem Vierer-Block aus Zitrusfrüchten Hinweise auf Verletzungen in der Kindheit und daraus resultierenden Blockaden des freien Energieflusses zwischen Kopf und Herz geben. Ja, ich muss gestehen, der Kopf übernimmt ganz gern die Kontrolle, wenn es emotional eng wird. Der Lorbeer gibt Aufschlüsse über das Selbstwertgefühl, während die harte Kapsel des Kardamoms im Herzbereich Hinweise auf ein gesteigertes Schutzbedürfnis gibt. Nicht zuletzt zeigen Narzisse und Iris die Potentiale für kreative Tätigkeiten und spirituelle Fähigkeiten. Das macht Mut.
Ich bin irgendwie verdutzt, habe ich doch bisher mit den genannten Kräutern, Früchten und Gewürzen eher Gaumenfreuden beim Kochen, eine Befreiung der Atemorgane oder anmutige Blumengestecke verbunden. Die Zitrone war mir in der Duftlampe immer ein wertvoller Begleiter für konzentriertes Arbeiten. Andreas Hesse erzählt dazu, wie sich ihm in der jahrzehntelangen Praxis als psychoanalytischer Aromatherapeut Schritt für Schritt die Geheimnisse und Zusammenhänge der Aromaessenzen als Mittler psychodynamischer Muster und Prozesse sowie deren (Er-)Lösung entschlüsselt haben. Als Grundlage des Wissens bezog er sich dabei auf intensive Forschungen und Therapieerfolge von Vorgängern wie Jean Valnet oder Robert Tisserand.
Es ist tröstlich zu erfahren, dass die Heilpflanzen nicht nur problematische Muster, Ängste, Blockaden und Traumata in Körper, Emotionen und Psyche aufzeigen. Sie bieten zugleich auch wirkungsmächtige Schlüssel zur Kräftigung, zu mehr innerer Balance und besserem Selbstwertgefühl. Ebenso sind sie Helfer bei der Verwirklichung neuer Entwicklungspotentiale. Entscheidend dabei ist, dass man den Aromaessenzen vertraut und regelmäßig mit ihnen arbeitet. Nach dem Treffen bin ich erstmal platt von den offenbarten Wahrheiten, die sich im Schnüffeln an einigen Fläschchen, intensiven Gesprächen und der tiefgehenden Analyse der Kartensets gezeigt haben.
Beim nächsten Treffen hat Andreas Hesse eine Überraschung parat. Diesmal geht es um die Auswahl geeigneter Tarieröle: duftende Helfer bzw. Heiler, die dabei unterstützen, in den notwendigen Bereichen die innere Balance zu kräftigen. Durch die intensive Beschäftigung und das Auftragen der in Öl gelösten Aromaessenzen auf bestimmten Körperstellen können Inhalte des Unterbewusstseins wahrgenommen, ins Bewusstsein gehoben und so bearbeitet werden. Dies geschieht mittels Assoziationen, Bildern und aufsteigender Gefühle. Aus den sieben von Andreas Hesse vorausgewählten Essenzen habe ich mir ohne großes Nachdenken intuitiv die Noten Riesentanne, Angelikawurzel und Jasmin herausgesucht.
Hochinteressant wiederum sind die Interpretationen und Erklärungen, die Andreas Hesse dazu hat. Die Riesentanne deutet auf ein kräftezehrendes Kampfgeschehen zwischen widerstrebenden Gefühlen, Prägungen und dunklen Kräften sowie äußeren Beeinflussungen hin. Ihr citrig-holziges Aroma nach Wald ist zugleich ein machtvoller Helfer für mehr innere Klarheit, Stärke und Verankerung in der eigenen Tiefe. Es schützt vor negativen Energien, lässt tief durchatmen und aktiviert die körpereigenen Abwehrkräfte. Zugleich unterstützt es physisch wie psychisch dabei, sich auszurichten und anzupacken. Ich stelle mir die Situation in einem lichtvollen Wald vor. Inmitten eines pulsierenden Kraftfelds imposant aufragender, tiefwurzelnder Riesentannen, die (Tat-)Kraft und Zuversicht vermitteln. Ein gutes Gefühl, das mich an die Freude und das Abenteuer der Kindheit beim Spielen im Wald erinnert.
Etwas sperriger gestaltet sich das Vorhaben, mich auf die Aromaessenz der Angelikawurzel einzulassen. Als vielseitige, abwehrstärkende Heilpflanze ist der Engelwurz, wie er auch heißt, bereits seit Jahrhunderten in vielen Teilen der Welt geschätzt. Dank vieler Gerb- und Bitterstoffe ist die Angelika bei Magen-Darm-Beschwerden, aber auch bei Infektionen, Schlaflosigkeit, Rheuma und Neuralgien als Helfer gefragt.
Weit darüber hinaus geht ihre Wirkung als machtvolle Klärungshilfe im emotional-spirituellen Bereich, klären mich die Worte von Andreas Hesse auf. Die Affinität zu ihr deutet auf fehlendes Urvertrauen, Kontrollängste, problematische Glaubenssätze und Prägungen durch Kirche und Gesellschaft, Schocks und Verletzungen durch die Familie. Umgekehrt lässt ihre Anwendung die „lichtvolle Weisheit der Seele“ wachsen. Sie unterstützt dabei, sich trotz mancher Verhärtungen für das Leben zu öffnen, schenkt Zuversicht und Vertrauen.
Durch die tiefe Verwurzelung im Erdreich stärkt die Essenz der Angelikawurzel Bodenständigkeit und Stehvermögen, so dass einen auch Schicksalsschläge und Verletzungen im Alltag nicht mehr so leicht umwerfen können. Trotzdem: Ich merke, wie sich beim tiefen Inhalieren der würzig-erdigen Basisnoten eine gewisse Vorsicht, vielleicht sogar Abwehr, Respekt und zugleich Neugier auf eine ungewohnte Erfahrung einstellen. Ich merke: Es liegt ein gutes Stück Arbeit darin, dass wir gute Freunde werden.
Ganz anders dagegen wirkt die Essenz von Jasmin auf mich. Die balsamisch-süße, blumenartige Herznote sauge ich förmlich mit allen Sinnen auf. Sie weckt spontan sinnenreiche Assoziationen an die fried- und freudvolle, entspannte Stimmung im Bali-Urlaub vor einigen Jahren. Wen wundert’s. Jasmin hilft mit seiner harmonisierenden und aphrodisierenden Wirkung dabei, verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen, depressive Stimmungen aufzuheitern, ein einfühlsameres Körperbewusstsein zu entwickeln sowie mögliche Blockaden in Beziehungen und Sexualität aufzulösen.
Was mich beschäftigt, ist der Ausdruck von „beziehungslosen Beziehungen“, auf die die Pflanzenkarte Jasmin auch hindeutet, wie Andreas Hesse erklärt. Werfe ich einen Blick in die aktuellen Zeitungen und Magazine, auf Datingportale oder Sexseiten im Internet, so könnte man den Eindruck gewinnen, unsere ganze narzisstisch geprägte Gesellschaft sei längst überreif für eine nachhaltige Therapie mit Jasmin.
„Aber Vorsicht“, sagt Andreas Hesse lachend, „Jasmin kann tief wirken, verleitet aber auch zur Oberflächlichkeit, deshalb sollte man es immer ganz bewusst anwenden“. Ich höre seine Worte, bewahre sie im Herzen und bin gespannt, was die nächsten Wochen und Monate für neue Einsichten und Erkenntnisse bringen. Die aromatherapeutische Psychoanalytik, so sieht es aus, ist wie eine Reise oder der Aufbruch zu einem neuen, teilweise unbekannten Kontinent. Dann ist es gut, wenn man einen erfahrenen Reiseführer mit innerem Kompass dabei hat. Der sowohl gefahrenvolle Untiefen wie auch unverhofftes Gipfelglück aus eigenem Erleben bestens kennt und einzuschätzen weiß.